Nein meint Nein, oder Was ist an “Nein” zu kompliziert?

Die Kampagne „Nein meint Nein“ – schon ganze neun Wochen alt – führte zu einer Reihe guter Beiträge und  Diskussionen in der Blogosphäre und … spülte dann doch die alten Mythen ans Tageslicht.

Zur Kampagne:

Sie startete am 27. Februar 2012, wird vom Frauennotruf München, Feierwerk, und dem Jugendkulturwerk getragen, und richtet sich – dies ist neu – weniger an Frauen (die wissen ja, was „Nein“ heißt), sondern  an Club- und Discobesitzer und ihre Mitarbeiter. Frauen, die belästigt werden, sollen sich trauen, Hilfe zu holen; Türsteher, Barkeeper und andere Mitarbeiter sollen sich trauen, hinzuschauen und einzugreifen.  Sie sollen auch erkennen, wann K.O. Tropfen eingesetzt wurden.

Mit anderen Worten: Nein = Nein, und „Belästigung fängt an, wenn sich ein Gast nicht mehr wohl fühlt”, wie Simone Ortner vom Frauennotruf der Süddeutschen Zeitung gegenüber erläuterte. Das ist dann, wenn eine Frau bedrängt wird, angegrapscht wird, weggezogen wird, ein Typ sich ihr in den Weg stellt, wenn sie taxiert wird und damit rechnen muss, dass sie erst einmal Energie aufwenden muss, um den Glotzer wieder loszuwerden …. Situationen, die jede Frau kennt, und die oft nur durch Flucht oder Eskalation gelöst werden können, weil die Security gerade wieder nicht hinschaut.

Unterstützt wird die Kampagne durch provokative Plakate – diejenigen von uns, die in der wunderschönen Stadt München wohnen, konnten sie sich z.B. in der U-Bahn Station Pocci-Straße anschauen. Im Netz ist das schwieriger – backstage in München zeigt sie in der Seitenleiste aber leider nur sehr klein. Dazu kamen Artikel u.a.  in der SZ und dort auch ein Interview dazu mit Anja Spitzer vom Frauennotruf zu KO-Tropfen.

Und nun zu den Mythen, auch aus der Blogosphäre. Diese Mythen kennt jede – eine Frau,  die in eine Disco oder eine Bar geht, die schick angezogen ist, die irgendwie angezogen ist, die tanzt, die nicht tanzt,  die erkennbar und ohne sich zu schämen eine Frau ist, muss so ziemlich alles akzeptieren, was ihr dann geboten wird, weil …. hier wird die Argumentation schnell unlogisch, meistens läuft es darauf hinaus, dass Frauen immer schuld sind und das bereits ein Blick auf einen Mann als Einladung zu allem zu verstehen ist.

Wir haben einen weiten Weg vor uns. Hoffen wir, dass die Kampagne bei der Zielgruppe ankommt und zu langfristigen Änderungen führt.

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Nein meint Nein – die Kampagne und unser Freund und Helfer…

Wirklich ärgerlich allerdings waren die Mythen, die von der Münchner Polizei beigetragen wurden. Sie wäre in die Kampagne gerne eingebunden gewesen, da sie (ohne die Zielrichtung ansatzweise zu verstehen), doch so gute Ratschläge an Frauen hat. Immerhin gab es keine Vorschläge zur Kleidung – nach Jahrzehnten feministischer Arbeit scheint klar zu sein, dass das nicht gut ankommt – dafür aber zum Alkohol.

Erst wurde der Süddeutschen Zeitung gegenüber sinngemäß erklärt, Frauen sollten nicht so viel trinken, dann passiere ihnen auch weniger – aber angeblich war das ja nur sehr verkürzt wiedergegeben.

Dann informierte uns der Pressesprecher der Münchner Polizei,  und erklärte die bereits heftig kritisierte Aussage seines Kollegen:

„… es kommt in solchen Situationen dazu, dass allgemein sehr viel Alkohol getrunken wurde oder wird, die führt eben dazu, die Situation, dass Männer
eben eher zu Übergriffen neigen
in Form eines enthemmten Zustands, und dass Frauen natürlich, wenn sie entsprechend alkoholisiert sind, auch leichter
Opfer von solchen Straftaten werden können.“

(Zu hören in einem Beitrag zur Kampagne von Radio Z)

Danach folgen die üblichen Ratschläge: Frauen müssen selbstbewusst sein, und deutlich “Nein” sagen und nicht so viel trinken etc.
Der sinnvollere Ratschlag:

Vergewaltigt nicht, und wenn ihr euch nach Alkoholgenuss
nicht straffrei aufführen könnt, dann trinkt halt nicht.

fehlt natürlich.

Der klare Begriff der Vergewaltigung wird von der Polizei ausgespart, Begriffe wie “sexueller Übergriff” weitgehend vermieden.

Stattdessen – die Mythen:

  1. Männliche Sexualität ist eine mühsam gezähmte Urgewalt, die leicht “enthemmt” werden kann. (Falsch. Korrekt: Männliche Sexualität ist völlig normal und lustvoll einzusetzen; Vergewaltigungen sind Gewalt-
    verbrechen, hinter denen zielgerichtetes, absichtliches und geplantes Handeln steht.)
  2. Alkohol ist bei Männern strafmindernd zu werten. Die Verantwortung des Mannes sinkt in direkter Proportion zur Promillezahl im Blut.
  3. Alkohol ist bei Frauen negativ zu werten. Die Verantwortung der Frau steigt in direkter Proportion zur Promillezahl im Blut.
  4. … Frauen natürlich … Opfer … werden können. Natürlich. Naturally. Naturalmente. Naturellement.

Mit Sarkasmus: Danke an den Pressesprecher. Er macht mir meine Arbeit durch seine Offenheit und Eindeutigkeit leichter. Und in einem Aufsatz hätte er die Note 1 verdient: „Bringen Sie vier Mythen in fünf Zeilen unter!“  – das kann nicht jeder.
Ohne Sarkasmus: Die hier gezeigte Einstellung ist erschreckend. Die Polizei sollte dringend in die Schulungen und die Informationsangebote der Disco- und Barbesitzer und ihrer Mitarbeiter einbezogen werden!

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